1. Definitionen

Die „Theorie des Vibe“ zielt darauf ab, das Gefühl zu definieren und zu charakterisieren, das oft als „Vibe“ bezeichnet wird. Dafür verknüpfen wir die menschliche Interaktion mit der Theorie der drei Systeme und dem Dreieck möglicher Energien.

Nach meiner Definition treffen Menschen in drei verschiedenen Systemen aufeinander. Erstens, die beschlossenen Systeme, wo sich Personen für Treffen verabredet haben, wie zum Beispiel Geburtstagsfeiern oder Homepartys. Zweitens, die rigiden Systeme, in denen Menschen mit dem Ziel zusammenkommen, gemeinsamen Interessen nachzugehen, etwa in Vereinen oder bei Veranstaltungen. Drittens, die offenen Systeme, Orte, wo Menschen ohne direkten Anker zusammenkommen, wie öffentliche Veranstaltungen, Cafés oder Restaurants.

Neben diesen Systemen gibt es nach meiner Theorie auch drei Energien, die in einem Dreieck angeordnet sind: romantische, freundschaftliche und körperliche Energie. Die freundschaftliche Energie entsteht durch eine Bindung zwischen zwei Personen, die sich besser kennenlernen und eine gemeinsame Sympathie entwickeln, ohne romantische oder körperliche Anziehung zu empfinden. Romantische Energie ergänzt die freundschaftliche Energie um eine romantische Komponente, oft gepaart mit Gefühlen von Verliebtheit oder Verknalltheit und dem Wunsch nach mehr Körperkontakt. Körperliche Energie hingegen zielt hauptsächlich auf körperliche Anziehung und den Wunsch nach intimer Verbindung, unabhängig von emotionaler Bindung oder Partnerschaft.

Diese Energien können durch Achsen verbunden werden, etwa die freundschaftlich-romantische oder die romantisch-körperliche Achse, und ein Kontakt kann innerhalb dieses Dreiecks angeordnet werden.

Die meisten Verbindungen entstehen in geschlossenen Systemen, wenn bekannte Personen neue Kontakte in das System einbringen, zum Beispiel bei einer Geburtstagsfeier oder über rigide Systeme wie Vereinsmitgliedschaften.

Ein Gespräch kann entweder in einer Gruppe oder zwischen zwei Personen (sogenannten „Breakouts“) stattfinden. Während Gruppendiskussionen helfen können, Erfahrungen auszutauschen, entsteht Nähe und Intimität oft nur in persönlichen Gesprächen. Diese sind das Hauptsetting, in dem wir den „Vibe“ feststellen können.

2. Wie Freundschaften entstehen

Die Theorie des Vibes bietet eine faszinierende Perspektive auf die Entstehung und Stärkung menschlicher Verbindungen. Es gibt einen bestimmten Merkmal bei persönlichen Treffen, das eine erheblich intensivere Verbindung ermöglicht als jede Form von digitaler Kommunikation. Dies wurde besonders deutlich während der Herausforderungen der COVID-19-Pandemie, als die Grenzen von Videoanrufen und selbst immersiven Technologien wie Virtual Reality offensichtlich wurden. Persönliche Begegnungen bieten ein gewisses Etwas, das schwer zu definieren ist, jedoch unvergleichlich und unschätzbar wertvoll ist.

Es ist jedoch nicht so, dass der Vibe vollkommen in der digitalen Welt fehlt. Ein Vibe kann durchaus in textbasierten Interaktionen gespürt werden, insbesondere wenn man das Gefühl hat, dass die andere Person das Gesagte auf einer tiefen Ebene verstehen und nachvollziehen kann, basierend auf ihren eigenen Erfahrungen. Die Intensität des Vibes steigt, wenn die Worte nicht nur als abstrakte Konzepte wahrgenommen werden, sondern in eine Art nachfühlbare Realität transformiert werden. Es entsteht eine besondere Sprache, eine einzigartige Energie, die die Grenzen zwischen zwei Menschen durchbricht.

Allerdings treten Vibes am stärksten in persönlichen Treffen auf. Nehmen wir als Beispiel das Setting eines Treffens, in dem ein größeres Gespräch in ein kleineres, intimeres Gespräch übergeht, wo man sich vor allem mit einer einzelnen Person unterhält. In solchen Szenarien hat der Vibe den Raum, sich voll zu entfalten und die Verbindung zu stärken.

Um das Wesen von Freundschaften zu betrachten, muss man den Prozess und die Dynamik ihrer Entstehung verstehen. Freundschaften entstehen oft aus gemeinsamen Erfahrungen. Es gibt Momente oder Ereignisse, die ich als „Bonding Experiences“ bezeichnen würde, die die Bekanntschaft auf eine neue Ebene heben. Interessanterweise sind es nicht immer neue Informationen über die andere Person, die diese Vertiefung der Beziehung auslösen. Vielmehr ist es das Erleben von etwas Bedeutsamem gemeinsam, das eine stärkere Bindung schafft.

Der Vibe ist der Indikator dieser Transformation. Es ist das Gefühl, das uns zeigt, dass aus einer Bekanntschaft eine Freundschaft wird. Es ist eine neue Ebene des Verstehens und der Bindung, die ohne den Austausch von weiteren Informationen entsteht.

Ein weiteres Phänomen, das die Entstehung des Vibes begünstigt, ist der Wettkampf. Zum Beispiel bei Turnieren oder Teamveranstaltungen wird die tribalistische Natur des Menschen hervorgehoben. Die Einteilung in Teams und die Einbettung in eine kompetitive Umgebung, selbst wenn der Preis nur symbolisch ist, ruft einen starken Gemeinschaftsgeist hervor. Die natürliche Wettbewerbsfähigkeit der Menschen wird angestachelt und trägt zur Stärkung des Vibes bei.

Kurz gesagt, der Vibe ist der unbeschreibliche Funke, der eine Verbindung intensiviert und vertieft, sei es in einem persönlichen Treffen, durch textbasierte Kommunikation oder in einem Wettkampf. Es ist ein entscheidender Faktor bei der Entwicklung von Freundschaften und spielt eine wesentliche Rolle bei der Schaffung tiefer menschlicher Verbindungen.

3. Aber was ist nun der “Vibe”!?

Es ist dieses sonderbare Gefühl, das sich einstellt, wenn man mit jemandem eine besondere Verbindung spürt. Es ist ein intuitives Verständnis und Vertrauen, das auf einer tiefen Ebene etabliert wird.

Es beginnt es mit einer Bemerkung, und plötzlich gibt es diese neue Dynamik. Es ist, als ob alle Grenzen gefallen wären, und man versteht sich und kann miteinander kommunizieren, auf einer Ebene, die normalerweise nicht zugänglich ist. Man teilt Witze, die sonst niemand zu verstehen scheint, und obwohl man sich kaum kennt, entsteht das Gefühl, dass es eine tiefe Verbindung gibt. Man teilt Momente der Stille, die nicht unangenehm sind, sondern eine ununterbrochene Verbindung signalisieren. Es ist, als ob eine unsichtbare Leitung zwischen beiden existiert, die immer offen ist, auch wenn gerade keine Informationen durch sie hindurchgehen.

Dieser Vibe, dieses intuitive Verständnis, erlaubt eine Unterschwelligkeit in der Kommunikation zu erkennen, eine unsichtbare Verbindung. Man fühlt sich der anderen Person nahe, als ob man sich schon seit langer Zeit kennen würden, obwohl dies nicht der Fall ist.

In der Welt dieses Vibes, gleicht das Zusammensein einem spontanen Spiel – es gibt keine Regeln, keine Punktzahlen, keine definierten Rollen. Es ist mehr eine spielerische Improvisation, ein dynamischer Tanz der Worte und Gesten, bei dem die Grenzen der Realität zu verschwimmen scheinen. Gleichsam wie beim Malen oder beim Improvisieren auf einem Instrument wird eine Melodie aus Erlebnissen, Gedanken und Emotionen gesponnen – ein harmonisches Wechselspiel, das keinen festgelegten Plan oder ein Endziel verfolgt.

Es ist ein gemeinsames Gestalten, ein Geben und Nehmen, ein fließender Austausch, der eine ganz eigene Dynamik entwickelt. Die Welt um euch herum wird zum Spielbrett, und eure Worte, Gesten, Blicke, das gemeinsame Lachen und auch die gemeinsamen Schweigeminuten sind eure Spielzüge. Doch es geht nicht darum, wer am Ende gewinnt oder verliert. Es geht vielmehr um den Akt des Spielens selbst, um das gemeinsame Erschaffen und Teilen von Momenten. Der Gewinn ist das Erleben des Moments selbst, die gemeinsam erzeugte Melodie der Verbundenheit und des Verständnisses, die Schönheit und Tiefe des Augenblicks. Und in diesen Momenten spürt man diesen einzigartigen Vibe, der einen magnetischen Sog entwickelt und eine tiefe, fast magische Verbindung herstellt.

4. Ursachen

Verschiedene Faktoren können Ursache dafür sein, dass ein “Vibe” entsteht. Hier eine Auswahl:

  1. Gemeinsamer Humor und Interessen: Eine Verbindung kann durch gemeinsamen Humor und Interessen gefunden werden. Findet man die gleichen Dinge lustig und entdeckt dabei eine gewisse Chemie, die zum Lachen und Reden animiert, so entsteht eine gemeinsame Frequenz, auf der beide schwingen können.
  2. Ehrlichkeit und Offenheit: Zum Beispiel kann die Offenheit, Erfahrungen aus einer schwierigen Phase des eigenen Lebens miteinander zu teilen, eine tiefe Bindung zwischen Personen schaffen. Es ist die Bereitschaft, sich in den verletzlichsten Momenten zu zeigen, die eine tiefe emotionale Verbindung ermöglichen kann.
  3. Nonverbale Kommunikation und physische Nähe: Elemente von nonverbaler Kommunikation und physischer Nähe – sei es Flüstern in einem lauten Raum voller Leute oder das Spazieren und gemeinsame Erleben von Natur. Diese Aspekte können dazu beitragen, eine tiefere emotionale Verbindung und ein Gefühl von Vertrautheit zu schaffen.

Warum bestimmte Menschen „viben“ und andere nicht, kann auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen sein. Hier sind einige Gründe:

  1. Persönlichkeitskompatibilität: Die Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen von zwei Menschen können besser miteinander „synchronisieren“. Sie können ähnliche Sichtweisen, Interessen oder Werte haben, die eine stärkere Verbindung und tieferes Verständnis ermöglichen.
  2. Emotionaler Zustand und Reife: Der emotionale Zustand und die Reife einer Person können beeinflussen, wie gut sie „viben“ kann. Menschen, die in ähnlichen emotionalen Zuständen oder Phasen des Lebens sind, können sich oft besser verstehen und verbinden.
  3. Chemie und Anziehung: Manchmal existiert eine unterbewusste Anziehung zwischen zwei Menschen basierend auf nicht messbaren Faktoren. Es kann etwas an der Art und Weise geben, wie sie kommunizieren, wie sie die Welt sehen, oder sogar etwas so subtil wie ihre Körpersprache, die sie zueinander zieht.
  4. Offenheit und Bereitschaft: Manchmal hängt das „viben“ auch davon ab, wie offen und bereit jemand ist, sich mit anderen zu verbinden. Manche Menschen sind eher zurückhaltend oder geschlossen, was es schwieriger machen kann, eine tiefe Verbindung herzustellen.
  5. Gemeinsame Erfahrungen: Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben oder sich in ähnlichen Situationen befinden, können oft besser „viben“, weil sie ein tieferes Verständnis und Mitgefühl für die Situation des anderen haben.

5. Vibe Trigger

Ich glaube, es ist nicht möglich, den Vibe zu konstruieren. Er ist entweder da oder eben nicht. Er ist eine zwangsläufige Konsequenz der Interaktion zweier Menschen in einem bestimmten Zustand, zu einer bestimmten Zeit, mit ihren individuellen Vorgeschichten und Dingen. Ich glaube, der Vibe kann einfach da sein oder nicht sein. Mir entsteht aber der Eindruck, dass es bestimmte Möglichkeiten gibt, eine Art Test durchzuführen, ob ein Vibe existiert. Das heißt, es gibt offensichtlich durchaus sehr viele Situationen, die das Ausprobieren und Entstehen des Vibes blockieren.

Zwei Personen müssen ihn erst entdecken, um zu wissen, dass er da ist, und in Zukunft, jedes Mal, wenn sie sich treffen, genau sich auf diese Schwingung einzustellen. Es ist ein wenig, als würde man auf einem alten analogen Radio den Regler drehen und versuchen, die Frequenz zu finden. Manchmal ist einfach kein Sender verfügbar, aber manchmal findet man ihn schlichtweg nicht. Das heißt, wir suchen jetzt nach Möglichkeiten, wie man diesen Vibe antesten kann. Quasi Triggerfaktoren, die es ermöglichen, den Vibe ausführlich zu machen.

Ein Triggerfaktor für einen Vibe ist eine Situation, in der man in einem Zweiersetting eine gemeinsame, intensive, abgrenzende Erfahrung durchmacht. Das kann der Besuch einer Veranstaltung oder eine Bergwanderung sein. Es kann auch ein Date sein, aber ein Date hat hier tatsächlich eine gewisse Komplexität. Denn etwas, was extrem hilft, ist, dass man sich nicht darauf konzentrieren muss, künstlich einen gemeinsamen Faktor zu konzipieren. Also zum Beispiel, indem man anfängt, nach gemeinsamen Interessen zu suchen oder nach irgendwas zu suchen, was einen verbindet. Sondern optimalerweise ist ein verbindendes Element schon da und das verstärkt man. Das kann man zum Beispiel durch die tribalistisch-kompetitive Natur von Menschen verstärken oder auch den Ikea-Effekt triggern.

Also entweder man schafft einen Wettbewerb, ein Turnier, wo man zu zweit teilnimmt. Man grenzt sich von Bekanntem und Bestehendem ab. Man nimmt also diese Person und setzt sich in ein vollkommen anderes Setting, eine andere Stadt, ein Ort, wo man niemanden kennt. Wo man gefordert ist, zum Beispiel auf einem Turnier oder wo man eine gemeinsame Errungenschaft erzielen muss. Das kann zum Beispiel das Erarbeiten eines gemeinsamen politischen Antrages sein. Das kann das gemeinsame Komponieren eines Stücks sein. Das kann das gemeinsame Schreiben eines Programms sein. Das kann die Ausarbeitung eines Flyers, das Plan einer Veranstaltung und, und, und sein. Also wo immer man gemeinsam an etwas arbeitet, was kompetitiv oder kreativ schaffend ist, man zu zweit ist, abgegrenzt ist und gefordert ist. Das ist der perfekte Ort, wo der Vibe entstehen kann. Denn dann wird man zwangsläufig, früher oder später, anfangen, in einer Art und Weise zu kommunizieren, aus der deutlich wird, ob der Vibe vorhanden ist oder nicht. Und das ist ja auch der Charakter eines “Basis-Definitions-Treffens”.

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