Im Alltag lernen wir, dass zum Verbessern bestimmter Fertigkeiten Zeit und Arbeit notwendig sind. Niemand wird als Meister geboren, weswegen es auch nachvollziehbar ist, für die Verbesserung einer Fertigkeit Arbeit und damit auch Zeit zu investieren. Aus dieser Annahme heraus schließen wir auch, dass zwischenmenschliche Beziehungen nach einem ähnlichen Schema funktionieren. So glauben wir, dass ein fester Zusammenhang zwischen der Stärke der Bindung zweier Menschen und der investierten Zeit existiert. Besonders der Begriff des Vertrauens sticht dabei hervor. Wenn wir nun aber den tatsächlichen Charakter zwischenmenschlicher Beziehungen betrachten, werden wir feststellen, dass das Aufbauen von Freundschaften in keinster Weise etwas mit dem Erlernen von Fertigkeiten zu tun hat.

Wir betrachten dabei, besonders wenn es um Vertrauen geht, zwei Extremfälle, wobei sich reale Verhältnisse irgendwo zwischen diesen beiden befinden: Erstens, jener Zustand in dem innerhalb kürzester Zeit eine Vertrauensbasis besteht und andererseits, indem trotz oder gerade durch übermäßige Investition von Zeit sich kein vertrauenswürdiges Verhältnis entwickelt. Gebunden an die oben erwähnte Proportionalität, also, dass wir erwarten, in gleicher Zeit überall gleiches Vertrauen aufzubauen, können wir die von uns aufgestellte Erwartungshaltung sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung verletzen. 

Zunächst dabei das positive Beispiel, in welchem sich Vertrauen schneller als erwartet entwickelt: Wenn sich Vertrauen schneller Einstellt als wir es sonst Gewohnt sind, so treffen wir dabei meistens auf einen Menschen der entweder in seinen Ansichten und Charakterzügen mit uns zumindest teilweise übereinstimmt, oder durch seine Art besonders vertrauenswürdig ist und uns auf diese Weise eine beruhigende oder anderweitig angenehme Umgebung schafft. In diesem Fall fällt es uns nicht schwer, die verborgenen oder sogar bewusst unterdrückten Gedanken und Emotionen, die wir täglich in uns reinfressen, mitzuteilen und damit das Risiko eingehend, dass die andere Person diese Informationen gegen uns verwenden könnte. Dies ruft jedoch eine interne Abwehrreaktion hervor, da wir uns ja wundern wie es dazu kommt, dass wir an einen solchen Menschen geraten dem wir so etwas in so kurzer Zeit verraten, obwohl wir zu anderen Menschen eine solche Bindung nur selten und wenn dann in einer längeren Dauer aufbauen. Diese Abwehrreaktion kann danach durchaus eine Art von Überkompensation zur Folge haben, nämlich darin, dass wir uns eben der Person, der wir grad noch alles sagen konnten, uns halbwegs bewusst verschließen, gewissermaßen um die eigene “Fahrlässigkeit” auszugleichen. Das ist in gewisser Hinsicht nachvollziehbar, auf der anderen Seite dennoch ein Fehler, da wir so bewusst Menschen abblocken und eventuelle Freundschaften ja gar Liebesbeziehungen im Keim ersticken. 

Nun zum anderen Extremfall, in welchem sich das Vertrauen ganz gegenteilig nicht oder sehr langsam entwickelt, unabhängig von der Zeitinvestition. Das bewusste Aufbauen von Freundschaften eventuell sogar entgegen einer natürlichen Sympathie ist dabei natürlich Taktik, sei es um im Berufsleben voranzukommen oder wenn wir anderweitig jemanden beeinflussen oder für uns gewinnen wollen. In diesem Umstand erscheint es uns, wie bereits erwähnt, natürlich durch mehr Zeit auch mehr Erfolg zu erzielen, wir machen dabei aus Freundschaften eine Mietgliedschaft im Fitness Studio, je öfter man hingeht, desto trainierter wird man. Folgen wir dem Satz des unendlichen Aufwandes, also jenes Prinzip, bei dem in einem theoretischen System ein unendlich investierter Aufwand das gewünschte Ergebnis liefern würde, ergibt das sogar einen Sinn. Da wir jedoch in einem realen System leben können wir nicht unendlich viel Aufwand investieren, höchstens etwas wie sehr viel Aufwand, das hat dann zwei mögliche Effekte, beide sind nicht vorteilhaft: einerseits kann der plötzliche Aufwand einer Person die wir zuvor kaum kannten dazu führen, dass sie sich bedrängt fühlt und dann erst recht kein Vertrauen oder freundschaftliche Verhältnisse aufbauen will, wir mit unserem Mehraufwand also tatsächlich das Gegenteil unseres Ziele erreichen, andererseits müssen wir begreifen dass vertrauen und die verbrachte Zeit keiner Gleichmäßigkeit folgt, das bedeutet wenn die zusätzlich investierte Zeit sich wenigstens nicht negativ auswirkt ist in keinster Weise gewährleistet dass sie sich positiv auswirkt.

Aus der oben genannten Situation erwächst dann schnell eine enttäuschte Erwartungshaltung, da wir Erfolg erwarten, aber nicht erreichen, das ist frustrierend und ganz pragmatisch gesagt Zeitverschwendung. Außerdem ist das letztlich ein Versuch, Gefühle zu erzwingen, wir sollten uns inständig fragen, ob dieses Verhalten uns zwangsläufig zu Glück oder zumindest zu Erfolg führt, meistens ist eben dies nicht der Fall. Wir lernen also aus den oben beschriebenen Extremfällen dass Vertrauen nur eingeschränkt von gemeinsam verbrachter Zeit abhängt, viel eher hängt Vertrauen davon ab, wie sehr die zwei Menschen in ihren grundlegenden Charakterzügen übereinstimmen, wie gut sie selbst zuhören können und damit auch auf andere Menschen zugehen und auf sie eingehen.

Categories:

Tags:

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert